Die soziale Erhaltungssatzung ist eine Art gesetzlicher Regulierungsmechanismus, durch dessen Anwendung in festgelegten Wohngegenden die mietpreistreibenden Modernisierungsmaßnahmen entweder nur unter strengen Auflagen oder in Ausnahmefällen zu genehmigen sind. So weit die Theorie. In der Praxis sieht es ganz anders aus.

Nach langer Hängepartie um die neuen Pankower Prüfkriterien in den sozialen Erhaltungsgebieten, kam es am 4. Juli bei der letzten Sitzung der Pankower BVV zu einem überraschend geräuschlosen Abschluss. Die Drucksache mit der laufenden Nummer VIII-0553 wurde „ohne Aussprache zur Kenntnis genommen“. Dieses Dokument beinhaltet die neuen „Prüfkriterien für die Beurteilung von Anträgen auf Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen in den Erhaltungsgebieten nach § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BauGB (soziale Erhaltungsgebiete) im Bezirk Pankow“. Bei dieser Neuauflage der Prüfkriterien kann auf gar keinen Fall die Rede von einer Verschärfung sein. Im Gegenteil, manche Neuerungen wie beispielsweise „die gewerbliche Überlassung von Wohnraum zu Wohnzwecken“, sprich Ferienwohnungsbetrieb, sind noch großzügiger ausgelegt als bisher der Fall war. Waren es früher 28 Tage, bis eine Nutzungsänderung im Sinne des Erhaltungsrechts eintritt, so beträgt jetzt der Zeitraum üppige 12 Wochen. Airbnb bedankt sich beim Bezirksamt Pankow. Von derzeit 46 rechtskräftigen sozialen Erhaltungsgebieten in Berlin besitzt Pankow fast ein Drittel der sogenannten „Milieuschutzgebiete“, nämlich 13 an der Zahl. Doch wenn man die Prüfkriterien aller Bezirke miteinander vergleicht, so ist Pankower Bilanz miserabel. Nur lediglich drei Maßnahmen waren bisher in Pankow definitiv nicht genehmigungsfähig: Einbau einer Fußbodenheizung, eines Innenkamins sowie die Schaffung von zur Wohnung gehörigen Stellplatzanlagen. Apropos, Stellplatzanlagen – in der Pankower Novelle von 2018 fehlt diese Regelung gänzlich. Sind jetzt Stellplatzanlagen wieder genehmigungsfähig? Und wenn ja, aus welchem Grund? Anhand dieser Vergleichstabelle kann sich jeder ein Bild von den neuen Prüfkriterien machen. Die Tabelle im PDF-Format ist hier.

 

Wärmedämmung, Grundrissänderungen, Ausbau von Dachgeschossen, Schaffung von Balkonen, Loggien, Terrassen und Wintergärten sowie Fahrstuhlanbau wurden bisher in Pankow in der Regel genehmigt. Dabei sind das die Modernisierungsmaßnahmen, die besonders mietpreistreibend sind. Das Ziel der sozialen Satzung, nämlich „die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“, wurde dabei seit Jahren gänzlich verfehlt. Das Bezirksamt Pankow betont aber bei jeder Gelegenheit, „Milieuschutz“ sei kein „individueller Mieterschutz“, es wäre aber besser beraten, die Prüfkriterien nicht nur kosmetisch nachzubessern,oder gar zu lockern, sondern sie restriktiv zu gestalten, und was viel wichtiger ist, sie auch in der Praxis konsequent anzuwenden. Balkone sind zwar schön, aber nicht zwingend zeitgemäßer Standard. Es gibt auch Neubauwohnungen ohne Balkone. Da sie aber kostenaufwändig und damit mietpreistreibend sind und eine Grundrissänderung und Wohnungsvergrößerung darstellen sowie dazu beitragen, das allgemeine Mietniveau anzuheben, sollten sie generell unzulässig sein. Bei Wärmedämmmaßnahmen wäre auch ein Nachweis zu führen, dass die auf die Miete umlagefähigen Kosten in einem adäquaten Verhältnis zur Energiekosteneinsparung stehen. Die Aufzüge sollte man lediglich nur zur Erschließung des Dachgeschosses bei dessen Nutzung als Wohnung genehmigen. Für die Bestandswohnungen sollte eine Umlage von Aufzugskosten nur auf die den Aufzug nutzenden Mietparteien erfolgen.

Fazit: Gut ein Jahr hat das Stadtentwicklungsamt Pankow gebraucht, um die Prüfkriterien für Milieuschutzgebiete zu „überarbeiten“. Das Ergebnis ist ein Witz. Leider, ein schlechter. Mieterinnen und Mieter dürfen weiter um ihre Wohnungen und ihre Existenzen bangen und Eigentümer, Umwandler und Betreiber der Ferienwohnungen – jubeln.

07.08.2018

OM