Im Dämmwahn in die Sackgasse
„Energiewende – Irrtümer aufbrechen, Wege aufzeigen“ unter diesem Titel steht eine Studie, die die eZeit Ingenieure GmbH 2018 im Auftrag des BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. erstellte. Diese Studie war am 27.11.2019 Gegenstand einer Anhörung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen des Abgeordnetenhauses. Ganz offensichtlich bricht sich langsam auch bei den Wohnungsunternehmen die Erkenntnis Bahn, dass der Dämmwahn der letzten Jahre ein Irrweg war. Immer voluminösere Wärmedämmsysteme zur vorgeblichen Senkung des Ergieverbrauchs führten zum Gegenteil. Je nach Wandstärke, Material, Gebäudelage und einer Reihe anderer Faktoren wirkt jeder weiterer Zentimeter Dämmung kontraproduktiv, verbraucht mehr Energie und führt zu mehr CO2-Verbrauch als eingespart wird.
„Hauptsächlich werden damit immer größere Dämmmaßnahmen, nach dem Motto »viel hilft viel«, gefordert. Ob eine Dämmmaßnahme effizient eingesetzt wird, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. »Viel hilft viel« ist eine einfache Antwort, kann aber in die Irre führen.“ (S.11.)
Sowohl die „graue Energie“, also der Energieverbrauch, der im gebauten Gebäude und seinen Anlage bereits steckt, als auch die Ressourceneffizienz, also eine Gesamtbilanz der für die Modernisierung eingesetzten Energie bleibt in der Regel außer Betracht. „Essentielle Fragen zur »Ressourcen-Effizienz« fallen sprichwörtlich unter den Tisch. So scheint beispielsweise die Verhältnismäßigkeit des Ressourceneinsatzes in Bezug zur Reduktion der damit erreichten Heizenergieeinsparung keine Rolle zu spielen.“ (S.12)
Das Mieterforum Pankow hat sich bereits auf dem 2. Mieterforum 2015 unter dem Titel Prima Klima ohne Mieter sich sehr intensiv mit diesem Thema befasst. Sehr überzeugend waren die Beiträge von Rainer Scheppelmann aus Hamburg, Anke Hahn und Peter Schrage-Aden. Auf der Web-Seite des MFP gab es in den letzten Jahren zu diesem Thema zahlreiche Beiträge. Wir erinnern uns mit welcher Hartnäckigkeit die städtische Gesobau die Mieter einer Reihe von Häuser mit Duldungsklagen überzogen hat, um fragwürdige Dämmmaßnahmen durchzusetzen. Pestalozzistr. 4, Trelleborger 39, 41, 43 / Hallandstraße 27, Kavalierstraße 19/19a u.a.. Auch die Mieter mancher Gewobag-Häuser wurden mit derartigen Duldungsklagen überzogen. Beim massiven Widerstand der Mieter der Knaackstr. 60 – 68 lenkte die Gewobag schließlich ein und verzichtete auf das Anbringen eines Wärmedämmverbundsystems.
Viele Privatvermieter nutzten die angebliche energetische Sanierung, um die Mieten über die Modernisierungsumlage exorbitant nach oben zu treiben. Ihr Ziel war und ist ohnehin nicht Heizenergie einzusparen, sondern die Mieter zu vertreiben.

Mitgliedsunternehmen des BBU, der diese bemerkenswerte Studie in Auftrag gegeben hat, sind ja neben den städtischen Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin auch die Aktienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia. In Bezirk Pankow tut sich die Deutsche Wohnen durch eine sture Dämmpolitik hervor. Wenn der Denkmalschutz nicht im Wege steht, dann werden auch völlig intakte Fassaden heruntergerissen und mit fetten Wärmedämmungssystem überzogen. Ein besonders absurder Fall ist die Wohnanlage zwischen Schönstraße und Parkstraße in Weißensee, wo die Deutsche Wohnen eine 6 cm Dämmung aus den 90er Jahren herunter gerissen hat, um eine neue 12 cm Dämmung an die Wände zu pappen. Das ist eine ökologische Katastrophe und eine soziale Zumutung.
Ein Irrtum? Nein, hinter dieser durch die Gesetzgebung (EnEV) und die staatlichen Förderprogramme forcierten, für die Mieter und die Umwelt fatalen Entwicklung standen und stehen Profit-Interessen der Bau- und Baustoffindustrie sowie der Immobilienwirtschaft. Die Vernunft hat es schwer, sich gegen solch mächtige wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Um den Energieverbrauch zu reduzieren, müssen Wohnhaus, Energieerzeugung und -verbrauch im Zusammenhang betrachtet werden: Wände, Baumaterialien, Fenster und Türen, Dach, Keller und vor allem das Heizsystem bilden mit dem Verbrauchsverhalten der Bewohner ein komplexes System, das für den Einzelfall angepasste optimierte Lösungen erfordert.
Insofern ist diese Studie hoffentlich ein weiterer kleiner Schritt für die Energieeinsparung aus der ökologischen Sackgasse heraus. Es bleibt zu hoffen, dass der BBU seinen Mitgliedsunternehmen die Beachtung der Studie Energiewende – Irrtümer aufbrechen, Wege aufzeigen proaktiv ans Herz legen wird.
Koord 15.12.2019
(geändert 16.12.19)