Bemerkenswerter Beschluss des VG Berlin
Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13.12.2019 über ein Rechtsschutzbegehren eines Eigentümer, der Immobilien in einem Milieuschutzgebiet auf dem Wege eines Share Deals (Kauf von Gesellschaftsanteilen zu 89,9 %) gekauft hat, gegen eine Anordnung des Bezirksamts Neukölln auf Herausgabe der Kaufvertragsunterlagen sorgte für Aufmerksamkeit. Die Anordnung zur Vorlage der notariellen Unterlagen über die Transaktion hatte das Bezirksamt damit begründet, dass es prüfen wolle, ob hier der Tatbestand einer Umgehung des gemeindlichen Vorkaufsrechtes vorliege und der Bezirk ggf. auch in diesem Fall sein Vorkaufsrecht ausüben könne.
Der Käufer wollte beim Gericht auf dem Weg des einstweiligen Rechtsschutz erreichen, dass diese Anordnung des Bezirksamtes auf Herausgabe der Kaufunterlagen als rechtswidrig festgestellt wird. Er vertrat die Auffassung, dass die Übertragung von Anteilen an der Grundstücksgesellschaft regelmäßig das Vorkaufsrecht nicht auslöse. Das Bezirksamt Neukölln sei jede Erklärung schuldig geblieben, worauf sich seine Vermutung gründe, dass in diesem Fall eine Umgehung des Vorkaufsrechts vorliege. – Das Gericht wies den Antrag des Eigentümers zurück und erklärte das Herausgabeverlangen des Bezirksamtes bezüglich der Kaufunterlagen zur Prüfung, ob hier ein Umgehungstatbestand des Vorkaufsrechts vorliege, für rechtens.
Keine Umgeheung des Vorkaufsrechts durch Share Deal
Beachtenswert und hervorzuheben ist die Tatsache, dass dem Beschluss des VG Berlin die Rechtsauffassung zu Grunde liegt, dass es auch bei einem Share Deal ein Vorkaufsrecht der Gemeinde geben kann, wenn diese Transaktionsform der Umgehung des gemeindlichen Vorkaufsrechtes diene. Das Gericht verweist dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 463 BGB (bzw. § 504 BGB a.F.), wonach das Vorkaufsrecht nicht nur dann bestehe, „wenn der Verpflichtete mit einem Dritten formell einen Kaufvertrag über den mit dem Vorkaufsrecht belasteten Gegenstand geschlossen hat. Vielmehr gebietet dem Bundesgerichtshof zufolge eine interessengerechte Auslegung der Norm, sie auch auf solche Vertragsgestaltungen zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten anzuwenden, die bei materieller Betrachtung einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kommen, dass sie ihm gleichgestellt werden können, und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seines Erwerbs- und Abwehrinteresses „eintreten“ kann, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen zu beeinträchtigen (BGH, Urteil vom 27. Januar 2012 – V ZR 272/10).
Das VG Berlin meint nun, für das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff. BauGB Ähnliches angenommen werden kann; auch bei ihm erscheint es also möglich, dass sog. Umgehungsgeschäfte, die kaufähnlich sind, den Vorkaufsfall auslösen. Das gelte insbesondere in Fällen eines „Share Deals“, wie er hier vorliege. Die dem Allgemeinwohl dienenden städtebaulichen Zwecke des gemeindlichen Vorkaufsrechts seien in Gefahr, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts umgangen werden könne. In besonderem Maße trifft das zu, wenn es – wie im vorliegenden Fall – um das Vorkaufsrecht im räumlichen Geltungsbereich einer sozialen Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB geht.
Bezirksamt kann/muss handeln
Die Bezirksämter haben es also in der Hand auch bei einem Share Deal, wenn alle sonstigen Voraussetzung für die Ausübung gegeben sind, das Vorkaufsrecht auszuüben, sofern damit de facto das gemeindliche Vorkaufsrecht umgangen wird. Ein Problem stellt natürlich die Durchführung solcher Prüfungen dar. Im Falle eines Grundstücksverkaufs muss der Verkäufer (bzw. der Notar) ein Negativzeugnis für den Deal beim Bezirksamt beantragen. Das ist für einen Verkauf von Gesellschaftsanteilen der Eigentümergesellschaft nicht erforderlich. Das Bezirksamt bekommt also nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht regelmäßig Kenntnis von einem Verkauf eines Wohnhauses auf dem Wege des Share Deals. Um so wichtiger ist, dass aufmerksame Mieter, die Informationslücke schließen. Auch bei einem Share Deal zeichnet sich ein Verkauf durch auffällige Besucher im Haus ab. Manchmal ist auch die Hausverwaltung eine gute Quelle für Warnhinweise zu einem anstehenden Verkauf.
VG Berlin 19. Kammer, Entscheidung vom 13.12.2019, Aktenzeichen: 19 L 566.19.
Pressemitteilung des VG Berlin vom 19.12.2019
Koord|M 28.12.2019